Ich verzierte mittlerweile unser Zelt mit den frisch gewaschenen Klamotten zum Trocknen. Ganz rechts im Lager sieht man's.
Blick aufs Lager; links kommt Kosh angewandert
Was Kosh natürlich bei der Waschaktion nicht konnte, war: sich rasieren. Eisberge haben bekanntlich keine Steckdosen. Und selbst wenn - Rasierzeugs, wozu? Unnötiger Ballast zum Rumschleppen. Zwar sieht Kosh meiner Meinung nach mit Dreitagebart aus wie eine Art Penner, aber der Bart würde ja länger stehenbleiben als ein paar Tage, und ich war gespannt, wie DAS dann aussehen würde.
Frisch gewaschen - die Anfänge des Barts :)
Wohl angespornt durch unsere Waschaktion und mein glückliches Gesicht versuchten noch einige andere sich am Waschen. Mindestens eine von ihnen meinte allerdings, das Haarewaschen mit eiskaltem Wasser sei brrrrrrr und durch das Sauber-Gefühl danach auch nicht wirklich aufzuwiegen. Aber mangels geeigneter Alternativen hatte sie's dann doch getan.
Meine gute Laune wurde allerdings noch besser, als wir Gerds Boot zuerst hörten (das Motorengeräusch hört man schon von weit her) und dann auch ankommen sahen.
Da kommt Gerd mit dem Boot - und er hat Fische für uns!
Frische Fische! Wir bestaunen den Fang, und Holger kauft Gerd wie verabredet einige Fische ab. Nun bin ich neugierig, denn ich will endlich wissen, wie man nun einen Fisch ausnimmt.
Als ich 15 war, hatten wir in Island auch mal frische Fische gefangen... naja, unser isländischer Chef hatte sie gefangen, und er wollte uns damals vom Fischeausnehmen fernhalten, wohl weil er meinte, das sei nichts für Touris. Immerhin hatte ich damals gelernt, wie man ganz frisch gefangene Fische schnell tötet und dann durch die Gegend trägt. Wie man Fische zubereitet, weiß ich auch, aber mir fehlte immer der mittlere Teil. Und mich hat das immer gefuchst... mal angenommen, ich wäre aus irgendeinem Grund in der Wildnis ausgesetzt und würde mir irgendwie einen Fisch fangen, dann würde ich daran scheitern, ihn auszunehmen? Das geht doch nicht.
Gerds Fische sind zwar schon tot, aber noch nicht ausgenommen. Ich frage also Holger, wie man so einen Fisch ausnimmt, er soll's mir zeigen. Erwartungsgemäß meint er, er würde das schon machen und keiner von uns bräuchte sich die Finger damit fischig zu machen, aber diesmal lasse ich mir die Gelegenheit nicht entgehen. Schließlich will ich das mal machen. Wir arbeiten also zu zweit an unseren paar Fischen, und alle Abfälle wandern wieder in den Fjord zurück. Da drin gibt es eine Menge Getier, was diesen 'Abfall' noch zu verwenden weiß.
Holger meint, daß sich Gerd vermutlich eh innerlich einen Ast grinst über uns, weil wir dafür zigmal so lange brauchen wie er selbst. Aber Gerd darf über uns grinsen, so viel er will, immerhin hat er für uns Fische gefangen. :)
Während Holger und ich zu zweit so etwa 5 Fische ausnehmen...
... kümmert sich Gerd um den Rest seines Fangs.
Die gibt es nun also zum Abendessen, ich freu mich schon drauf. Gerd nimmt noch den Rest seines Fangs aus (den will er in Tasiilaq verkaufen), während Holger und ich unsere Finger und Messer im Fjord säubern und Holger dann mit unseren Fischen verschwindet. Um das Schlechtwerden der Fische braucht sich hier keiner Sorgen zu machen... wir haben vielleicht keinen elektrischen Strom, aber einen großen Kühlschrank mit vielen großen Eiswürfeln drin quasi vor der Haustür. (Schon in Island haben wir damals die Fische, die wir nicht direkt gegessen haben, in eine gut geschlossene Plastiktüte im 4 Grad kalten Bach versenkt, und die Wandergruppe, die am Abend in die gleiche Hütte kam, brauchte so ihr Abendessen nicht einmal zu fangen.)
Ich mache nun das, was ich seit Tagen vorhabe, nämlich mein Tagebuch wieder auf den neuesten Stand zu bringen - es zumindest zu versuchen. Jedes Mal gebe ich mir halbwegs Mühe, ein solches auf Reisen zu führen, und jedes Mal sind die ausführlichsten Einträge die, wo ich mich auf dem Hinflug gelangweilt habe, aber noch nicht wirklich was zu erzählen hatte.
So auch diesmal, natürlich. Nach einer Einleitung über den McTrödel am Flughafen, seitenlangen Reminiszenzen über alte Islandaufenthalte und sonstige Reisen, einem Satz, der mit :vianne: endet und vom Satz "Ich verwende Forumssmileys in meinem Tagebuch!! :motz:" gefolgt wird, einer Abhandlung über Prinz-Polo-Kekse und deren geschichtliche Bedeutung *), Bemerkungen über das Essen im Flugzeug, einer Einkaufsliste für Reykjavík am Ende der Reise und Gequengel darüber, daß man in einem Flugzeugsitz nicht im Kreis rennen kann, habe ich auch die Reiseplanung, was wir wann machen wollten, aus unseren Unterlagen abgeschrieben, inklusive Karte. Und dann war immer noch über eine Stunde Flug übrig.
Das klingt dann in etwa so:
So, jetzt habe ich den relevanten Teil der Reiseinformationen abgeschrieben, dekoriert und mit einer groben Karte der Gegend versehen, die Tage am entsprechenden Ort durchmarkiert, um die Tagesinfos reinzuschreiben (man weiß ja nie, ob das, was wir letztendlich machen, vorher so im Programm stand), und es ist immer noch erst 14:30 Ortszeit in Island, d.h. noch eine Stunde 20 min Flug. Und außerdem will ich immer noch 'Sermimilk'-Fjord schreiben, obwohl er Sermilik-Fjord heißt, was doch eigentlich einfacher ist. Diese Namen machen mich ohnehin wahnsinnig, und obendrein erinnern sie mich an Binbini... dingens, Binabik halt. :p. Dreimal darf man raten, wo Tad Williams hier Anleihen gemacht hat.
Aber irgendwie sind die Namen hier noch schlimmer... da kann ich mir ja Arkngthunch-Sturdumz besser merken :vianne:. Außerdem kommt das ii wie im Finnischen vor, wo man unweigerlich ü liest, auch wenn die handschriftliche Schreibweise tatsächlich ii in den jeweiligen Sprachen ist (die ja kein ü kennen und es insofern auch nicht mit ii verwechseln können :ugly:)
14:40 h. Was schreibe ich jetzt noch Sinnloses?
Ich könnte meine Einkaufsliste für Reykjavík noch erweitern :ugly:
Tagebucheintrag vom Hinflug nach Island, irgendwo über dem Atlantik
Die Karte ist von Hand abgezeichnet und dementsprechend ungenau, und da man Kuli auf Kuli nicht wirklich gut lesen kann, stehen die Ortsnamen nochmal in der Liste untendrunter. Im Moment sind wir etwa auf halber Strecke zwischen Tiniteqilaq und Siarqigteq am Sermilik-Fjord, zumindest so wie's auf der Zeichnung aussieht. Meine genauere Karte habe ich gerade nicht zur Hand, aber es kommt so in etwa hin.
Ungenaue Handzeichnung einer Karte "unseres" Eckchens von Grönland
(Nicht über das gedruckte Januar-Datum wundern - ich verwende meine Buchkalender auch als Tagebuch einfach von vorn nach hinten, wo auf den Seiten sonst nichts steht.)
Hmppf. Liste so weit fertig, und es ist 14:45.
Still not king.
So geht das weiter.
Der folgende Eintrag stammt dann bezeichnenderweise vom Flughafen Reykjavík und beginnt mit
Reykjavík Airport
18.7., 12:38 h
Unser Flug nach Kulusuk geht fahrplanmäßig um 13:00. Da kann ich ja schon mal anfangen, einen Teil des unvermeidlichen Rückstands aufzuholen ;-)
Der nächste ist dann im Flugzeug nach Grönland geschrieben und sieht dementsprechend aus; er endet mit einer sehr viel unleserlicheren Version von
Und im Moment kommt Grönland in Sicht - Berge, Schnee und so :D!
Immerhin hatte ich den Island-Teil vom Anfang halbwegs hingebracht.
Da wir unseren ursprünglichen Reiseplan schon ziemlich gleich am Anfang geändert hatten, habe ich keine Ahnung, welches Datum wir eigentlich schreiben.
Der heutige Eintrag fängt also ohne Datum an:
Auf einem Felsblock bei Pao...?
17:46 h
"Bmmmmmmmmwrk!!!" ist das Geräusch, was zu Mücken gehört, die sich unerlaubt auf Koshs Gesicht niederlassen. [Das war zumindest Koshs Kommentar dazu, begleitet von Gefuchtel, Anm.d.Red. ;)]
Wir sitzen (bzw. ich sitze, da Kosh gerade vor den Mücken die Flucht nach oben angetreten hat) am Ufer bei P. (ich geh's nachher nachsehen...) und hören den Eisbergen zu. Eisbergen kann man nämlich nicht nur toll zuschauen, sondern auch zuhören.
In ihrem Eis sind lauter kleine und größere Luftblasen eingeschlossen, und beim Schmelzen tritt diese Luft aus. Ein kleiner Eisberg, den man in kochendes Wasser legt, sizzelt also wütend vor sich hin, während so eine vorbeiziehende oder herumliegende Herde Eisberge ein Geräusch macht wie ein kleiner Bach oder ein Zimmerspringbrunnen. Gelegentlich macht es auch mal Peng oder Kracks, oder es donnert durch den ganzen Fjord, wenn ein größerer Eisberg zerbricht oder sich dreht.
Br, so langsam wird es bei steigender Flut hier unten auch kalt, die Sonne ist weg, und ich sollte mich hinaufbewegen. Aber gerade hat sich in meiner Nähe ein kleinerer Eisberg gedreht, und ich mußte zuschauen, und eigentlich will ich noch sehen, wie das hier gestrandete kleine Eisbergchen wieder flottkommt.
Eisbergherden sind ziemlich geschwätzig; zumindest herrscht hier ein ganz schöner Radau.
Das kleine Eisbergchen, von dem hier die Rede ist, kann man auf dem ersten (und letzten) Bild im vorherigen Blogeintrag sogar sehen, das neben Kosh.
Was man auf den Fotos nicht sieht, ist, daß alle diese Eisberge auf dem Sermilik-Fjord sich tatsächlich bewegen. Sie treiben langsam den Fjord hinunter zum offenen Meer. Durch diese Bewegung kommen sie mir vor wie eine ruhig vorbeiziehende Herde von weißen Tieren. Und sie machen auch eben Geräusche wie eine Herde Eis-Tiere. Sie glucksen leise vor sich hin, zumindest die nahen kann man leise glucksen hören, und die ferneren sorgen für ein stetiges Hintergrundgeräusch. Eisberge sind nicht lautlos.
Es ist schön, hier zu sitzen und den Eisbergen zuzuschauen und zuzuhören. Meine Hände riechen nach frischem Fisch und Salzwasser, und ich finde das gut so.
Und zum Abendessen gibt es den guten Fisch, in Fjordwasser gekocht und seeehr lecker. Today, life is good!
Interessant beleuchtete Eisberge
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*) Prinz-Polo-Kekse haben eine geschichtliche Bedeutung ;). Island mußte einmal aufgrund irgendwelcher internationaler Verträge irgendwas aus Polen importieren. Man wählte Prinz-Polo-Kekse. Die gibt es in Island somit schon vergleichsweise lange (60er oder 70er Jahre, sowas), und lange Zeit war es fast die einzige derartige Süßigkeit, die's auf der Insel überhaupt zu kaufen gab. Dementsprechend 'wichtig' waren sie; auch in meinem Lieblingsfilm 'Am Gletscher' tauchen diese Kekse auf und Kirchenvorsteher Tumi Jónsson hält einen Vortrag über sie, und als 1995 die Verpackung geändert wurde, kommentierte unser Isländer das mit "das ist ein swerer Slag" (nein, sie können kein 'sch' aussprechen ;) ). Der hatte sie nämlich aufgrund der neuen Verpackung nicht mehr wiedergefunden.